Kündigung und Integrationsamt

Das Integrationsamt muss vor einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten eingeschaltet werden. Das gilt für jeden Kündigungsgrund. Auf diesen Standpunkt hat sich das Arbeitsgericht Celle gestellt, das über mehrere fristlose Kündigungen eines schwerbehinderten Mitarbeiters zu entscheiden hatten.

Der Arbeitgeber, ein Theater, war in der Öffentlichkeit sehr bekannt und bot vielen Künstlerinnen und Künstlern Engagements. Die für den Betrieb des Theaters notwendige Technik war jedoch teilweise verbesserungsbedürftig. Dies stellte der Kläger fest, nachdem er seine Arbeit aufgenommen hatte. Die Aufträge zur Beseitigung der Mängel und der Unterweisung und Einweisungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden schließlich vergeben. Dennoch war die Theaterleitung mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Sie kündigte dem Mitarbeiter nach Zustimmung der zuständigen Behörde und Anhörung des Betriebsrates dreimal fristlos. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war nicht möglich wegen des Fünf-Jahres-Vertrages. Der Arbeitgeber kündigte dann noch zweimal fristlos. Der Arbeitgeber hatte aber nur einmal eine Zustimmung zur Kündigung durch das zuständige Integrationsamt erhalten.
In der Kammerverhandlung wurden alle Aspekte des Verfahrens erörtert und geprüft. Dann stellte das Arbeitsgericht klar, dass es die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterstütze, welche besagt, dass für jede beabsichtigte Kündigung zuvor das Integrationsamt eingeschaltet werden muss. Das Arbeitsgericht erklärte zwei Kündigungen für nichtig, weil das Integrationsamt nicht zugestimmt hatte. Die dritte Kündigung wurde für unwirksam erklärt, weil für einen nachgeschobenen Kündigungsgrund zuvor die erforderliche Beteiligung des Integrationsamtes fehlte. Das Arbeitsgericht wies auf andere Stimmen in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur hin, die eine nochmalige nachträgliche Beteiligung zu einem neuen Kündigungssachverhalt nicht für erforderlich halten, weil dies im Hinblick auf den Schutzgedanken des Arbeitnehmers nicht sinnvoll sei. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Arbeitsgericht nicht an, weil gerade der Rechtsstreit zeige, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt waren, auf Grund des Schutzzweckes und der rechtlichen Konstruktion des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte unzulässig sei. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte in seinem Urteil vom 22.06.2006 – 1 Sa 96/06 – bereits zu dieser Problematik entschieden. Auch wenn der nachgeschobene Kündigungsgrund nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht, hat das Arbeitsgericht Celle sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 08.11.2007 (Az: 2 AZR 425/06) und 15.11.2012 (Az: 8 AZR 827/11) gestützt. In seiner Entscheidung von 2012 wies das BAG daraufhin, dass das Integrationsamt nur auf Grund der durch den antragstellenden Arbeitgeber dargestellten Gründe eine Entscheidung treffen kann.
Von Bedeutung war u.a. auch die Tatsache, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit gegeben hatte, zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Der Arbeitgeber hat inzwischen Berufung eingelegt.