Krankheitsbedingte Kündigung erfordert ein vorheriges betriebliches Eingliederungsmanagement (beM)
Eine Mitarbeiterin war längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeit, die nicht erledigt werden konnte, belastete alle Arbeitskolleginnen und Kollegen. Der Arbeitgeber wollte daher eine neue Arbeitskraft einstellen und kündigte krankheitsbedingt das Arbeitsverhältnis. Die Mitarbeiterin wollte klären lassen, ob die Kündigung zu Recht ausgesprochen wurde. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wurde zunächst die Dauer der Arbeitsunfähigkeit erörtert und dabei festgestellt, dass die Erfordernisse eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX vorlagen. Der Arbeitgeber wußte angeblich nicht, dass eine solche Maßnahme erforderlich war, bevor eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden konnte. Der Arbeitgeber dachte angeblich, diese Vorschrift würde nur für behinderte Menschen gelten. Die Mitarbeiterin war nicht behindert, aber vor Ausspruch der Kündigung länger als sechs Wochen arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber hätte also das beM durchführen müssen. Der Sinn des beM ist, dass möglichst geprüft und festgestellt wird, ob die Arbeitsunfähigkeit mit der Arbeit bzw. dem Arbeitsplatz zu tun hat. Da eine Kündigung immer nur das letzte Mittel ist, muss ein Arbeitgeber zuvor versuchen, eine Kündigung zu vermeiden. Das beM muss auch zeitnah vor der Kündigung durchgeführt werden, weil es sonst seinen Zweck nicht erfüllt. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz schon am 16.12.2009 – 7 Sa 413/09 – entschieden.
Die Prüfung des Arbeitgebers, ob eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Arbeitssituation hervorgerufen wurde, ist oft schwierig durchzuführen. Allerdings gibt es die Möglichkeit, im Rahmen von betrieblichen Gefährdungsanalysen und -beurteilungen Erkenntnisse zu gewinnen. In den Betrieben, in denen Betriebsräte oder andere Interessenvertreter für die Beschäftigten vorhanden sind, können und sollten Vereinbarungen (z. B. Betriebsvereinbarungen) abgeschlossen werden, um derartige Untersuchungen durchzuführen. Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte können ebenfalls herangezogen werden, um festzustellen, ob Arbeitsplätze krank machen. Schlechte Belüftung, keine Belüftung, Lärmbelästigung, mangelhafte Stühle, fehlerhafte Arbeitstische und viele Belastungen durch Arbeitsstress / Arbeitsverdichtung oder Schichtarbeit mit zu geringen Ruhezeiten führen häufig zu lang andauernden Erkrankungen mit Arbeitsunfähigkeit. Diese Zeiten stellen für den Arbeitgeber Kostenfaktoren dar, die er gerne vermeiden möchte. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist aber dann nicht das Mittel der Wahl. Ohne beM keine krankheitsbedingte Kündigung? Dann gäbe es bald keine krankheitsbedingten Kündigungen mehr. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines beM sind aber in jedem Fall zu beachten. Die erkrankte Mitarbeiterin war gut beraten und konnte, nachdem die Ursachen ihrer Arbeitsunfähigket (mangelhafte Stühle, falsche Arbeitstische) festgestellt und beseitigt waren, ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.